1942 wurde erstmals eine Radiojodbehandlung in den USA durchgeführt. Bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und die schwierigen Nachkriegsverhältnisse wurden in Europa die ersten Erfahrungen erst etwas später gewonnen. So wurde in Europa der erste Patient mit Tochtergeschwülsten eines Schilddrüsentumors 1949 vom späteren Direktor der Nuklearmedizinischen Universitätsklinik in Bonn, Professor Winkler, in Aachen behandelt. Die ersten Radiojodbehandlungen in Deutschland bei gutartigen Schilddrüsenerkrankungen erfolgten 1950 in Hamburg. Seitdem sind weltweit millionenfach derartige Behandlungen erfolgt.
Zigtausende von Patienten wurden über viele Jahre exakt wissenschaftlich nachuntersucht. Dabei konnten praktisch keine Schädigungen durch die erfolgte Behandlung festgestellt werden. Die Behandlungen waren meist sehr erfolgreich.
In Deutschland liegt die Zahl der jährlichen Behandlungsfälle bei etwa 35 000. Durch strenge Auflagen des Gesetzgebers ist die Zahl der Behandlungszentren stark eingeschränkt. Es gibt bei uns nur 125 derartige Zentren. Dernbach gehört mit zehn Betten zu den größeren Behandlungszentren. Jährlich werden dort etwa 500 Patienten mit Radiojod behandelt.
Unter Radiojod versteht man das Jod-131. Es handelt sich um die radioaktive Variante von Jod. Der Körper kann nicht unterscheiden, ob es sich um eine radioaktive Form von Jod oder um eine nicht radioaktive Form handelt. Die Halbwertszeit von Jod-131 beträgt nur acht Tage.
In dieser Zeit sind 50 % des gegebenen Jodes in andere Bestandteile zerfallen. Da neben dem so gennanten physikalischen Zerfall das Jod auch noch zusätzlich ausgeschieden wird, ist die biologische Halbwertszeit kürzer.
Werden sie in Bleikammern oder Bunkern untergebracht? Zum Schutz von besonders strahlenempfindlichen Personen (zum Beispiel Schwangere oder Kleinkinder) hat der Gesetzgeber bei uns besonders strenge Vorschriften erlassen. In den ersten Tagen nach einer Radiojodbehandlung ist die Strahlenbelastung für andere Personen etwas höher. Außerdem wird radioaktives Jod mit dem Urin und auch mit dem Stuhl teilweise ausgeschieden.
Durch geeignete Abschirmungsmaßnahmen und eine Abwassersammelanlage (Abklinganlage) wird vermieden, dass die genannten Personen mit erhöhten Strahlungen in Kontakt kommen. Dem Umweltschutz wird dadurch voll Rechnung getragen. Nach den langjährigen Erfahrungen konnte man jedoch die Vorschriften etwas lockern, da man keine Schädigungen an den genannten Personen festgestellt hat.
Trotz aller Gerüchte benötigen die speziellen Stationen für die Radiojodbehandlung keinen Bunker oder eine Bleikammer. Es sind weitgehend normale Zimmer, die häufig kleinere Abschirmwände aufweisen, damit das versorgende Personal einen höheren Schutz hat. Aus grundsätzlichen Überlegungen sind jedoch Besuche nicht gestattet.
In Dernbach sind die Zimmer hell und freundlich gestaltet, haben große Fenster, einige Zimmer haben sogar eine Art Wintergarten. In jedem Zimmer ist ein Telefon und ein Fernseher vorhanden, teilweise auch ein Faxgerät, Videorecorder und ein CD-Player.
Am Tag der stationären Aufnahme erhält der Patient nach Abschluss aller Untersuchungen in der Regel am frühen Nachmittag des Aufnahmetages einmalig eine Kapsel mit dem radioaktiven Jod. Dies ist eine gebräuchliche Medikamentenkapsel und dadurch leicht zu schlucken und in aller Regel wird dies auch problemlos vertragen. Danach kann sich der Patient wieder in sein Zimmer zurückziehen. Es handelt sich meist um Ein- oder Zweibettzimmer. Der stationäre Mindestaufenthalt beträgt, gesetzlich vorgegeben, 48 Stunden.
Durch tägliche Messung wird festgestellt, wann der, durch die Behörden vorgegebene Schwellenwert (neuerdings 3,5 µSv pro Stunde in zwei Meter Abstand) erreicht ist. Dann wird der Patient in aller Regel entlassen.
Die stationäre Aufenthaltsdauer ist ganz wesentlich von der Größe der Schilddrüse abhängig. Sie beträgt in der Regel zwischen zwei und zwölf Tagen. In Einzelfällen kann aber auch die Behandlung so gestaltet werden, dass von vornherein eine mehrfache Behandlung in Abständen von mehreren Monaten geplant ist.
Der Hauptanteil der Strahlung wirkt nur wenige Millimeter (so genannte Betastrahlung). Daneben gibt es noch eine so genannte Gammastrahlung, die eine größere Reichweite hat. Diese Strahlung kann gut von außen gemessen werden. Damit können auch Szintigramme aufgenommen werden. Die Gamma-Strahlung ist auch der Grund, dass die Patienten andere Personen bestrahlen können. Aus diesem Grund sollen die Patienten einen größeren Abstand, mindestens ein bis zwei Meter zu anderen Patienten einhalten beziehungsweise die Kontaktzeit möglichst kurz halten. Eine Übertragung der Strahlung, ähnlich wie bei einer Infektionserkrankung, ist praktisch nicht möglich. Seien Sie unbesorgt. Wenn Sie den nötigen Abstand und die entsprechenden Zeitvorgaben einhalten, dann ist die von Ihnen ausgehende Bestrahlung nicht höher als zum Beispiel die Bestrahlung, die bei einem Transatlantikflug auf alle Passagiere einwirkt.
Fragen Sie den Stationsarzt, ob es irgendwelche zeitlichen Einschränkungen in den Tagen und unmittelbar nach der Radiojodbehandlung gibt. Meistens sind Einschränkungen nicht erforderlich.
Die allermeisten Patienten empfinden überhaupt nichts bei einer Radiojodbehandlung. In relativ wenigen Fällen, insbesondere bei sehr großen Schilddrüsen oder speziellen Knoten, können einige Tage nach der Radiojodbehandlung leichte Schmerzen im Halsbereich auftreten. Man spricht dann von einer so genannten Strahlenentzündung. Diese Beschwerden klingen meist ohne zusätzliche Behandlung nach einigen Tagen wieder ab. Sollten sie etwas stärker sein, hilft meistens eine Eiskrawatte. In ganz seltenen Fällen ist eine zusätzliche medikamentöse Behandlung angezeigt.
Schilddrüsenerkrankungen mit vielen Knoten, insbesondere mit sogenannten ”kalten Knoten”, das heißt, Knoten, die Jod nur sehr schwach aufnehmen machen meistens eine Operation notwendig. Die letzte Entscheidung kann nur in einem erfahrenen Schilddrüsenbehandlungszentrum gefällt werden. Fragen Sie danach! Bei besonders ausgeprägten Schilddrüsenvergrößerungen gelingt es oft, erst nach mehreren stationären Behandlungen, einen ausreichenden Effekt zu erzielen. Auch in diesen Fällen ist eine Operation meistens günstiger. Der Effekt wird auch wesentlich rascher erreicht.
Grundsätzlich ja. Da sämtliche Ausscheidungen der Patienten weit über 100 Tage gesammelt werden müssen, muss leider der Wasserverbrauch etwas eingeschränkt werden. Das bedeutet, dass Duschen in der Regel nur selten gestattet werden kann. Auch sind zumeist wassersparende Armaturen vorhanden. Dies ist jedoch nur eine geringe Komfort-Einbuße.
Hier sind die Verhältnisse ähnlich wie nach einer Operation. Da durch eine Radiojodbehandlung eine wesentliche Veränderung der Schilddrüse zumeist eingetreten ist, sind lebenslange Kontrolluntersuchungen erforderlich. Anfänglich müssen die Untersuchungen in einem kürzeren Abstand erfolgen, zumeist handelt es sich hier um Blutuntersuchungen. Später sind in der Regel Kontrollen in etwa ein-jährigem Abstand ausreichend.
Dies hängt sehr von den unterschiedlichen Erkrankungsformen ab. Es gibt viele Patienten, die nach einer Radiojodbehandlung überhaupt keine Schilddrüsenmedikamente benötigen. Bei einigen Patienten, insbesondere bei Patienten mit Zustand nach einer Basedow-Überfunktion, muss mit einem sehr viel höheren Prozentsatz damit gerechnet werden, dass eine sogenannte Unterfunktion durch die Behandlung eingetreten ist. Dann ist eine lebenslange Behandlung mit Schilddrüsenhormonen erforderlich.
Dies ist im eigentlichen Sinne keine Chemie, sondern eine exakte Kopie der körpereigenen Schilddrüsenhormone. Dementsprechend sind Nebenwirkungen durch diese Schilddrüsenhormone bei richtiger Anwendung praktisch nicht zu befürchten.
Die Strahlenbelastung der Schilddrüse ist bei einer Radiojodbehandlung hoch. Dies ist ausdrücklich gewünscht. Daneben kommt es zu einer geringen, jedoch unterschiedlich gestalteten Belastung von anderen Organen des Körpers. Wenn man die Keimdrüsen speziell betrachtet, entspricht die Strahlenbelastung durch eine Radiojodbehandlung in etwa einer Strahlenbelastung durch eine eingehende Röntgenuntersuchung, beispielsweise Computertomografie, Magen-Darm-Passage oder eine Röntgenuntersuchung der Nieren.
In den USA werden bereits seit vielen Jahren junge Erwachsene, sogar Kinder, mit Radiojod behandelt. Auch dort konnten keine Schädigungen festgestellt werden. Diese Überlegungen haben auch in Deutschland und Europa dazu geführt, die früher oft genannte Altersgrenze von 35 - 40 Jahren für Erwachsene fallen zu lassen. Bei den strahlenempfindlicheren Kindern und Jugendlichen wird nach wie vor eine Radiojodbehandlung nur in Ausnahmefällen durchgeführt.
Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen eine Schwangerschaft nach einer Radiojodbehandlung, da es keine relevanten Erbgutschädigungen gibt. Aus grundsätzlich reiner Vorsicht wird jedoch für das erste halbe Jahr nach der Radiojodbehandlung empfohlen, auf eine Schwangerschaft zu verzichten.
Durch große Untersuchungsreihen hat man keinerlei Häufungen von bösartigen Tumoren beziehungsweise einer Leukämie nach Radiojodbehandlung gefunden.
Die Radiojodbehandlung ist eine individuelle Behandlungsform. Um möglichst genau die erforderliche Dosis für den Patienten zu berechnen, wird die Radiojodbehandlung im so genannten Radiojodtests simuliert. Der Patient erhält, zumeist ambulant, eine kleine Aktivitätsmenge von Jod-131 zum Schlucken.
Nein! Sie ist nicht "infektiös". Die Kleidung kann normal gewaschen werden. Auch Bücher, Zeitschriften und andere Dinge können problemlos weiterbenutzt werden. Falls Sie Zweifel haben sollten, fragen Sie das Personal auf der Station. Die Gegenstände können ohne Probleme auf radioaktive Strahlung gemessen werden.
Nach der Entlassung müssen die Patienten keine besonderen Auflagen erfüllen. Sie sollten nur in den ersten ein bis zwei Wochen danach, langen und engen Kontakt mit Schwangeren und kleineren Kindern, die eine besondere Strahlenempfindlichkeit haben, nach Möglichkeit meiden. Ein entsprechendes Merkblatt wird auf der Station ausgehändigt.
Die Erfolgsaussichten sind als sehr gut zu bezeichnen. Die Besserung bei der Knotenstruma ist ausführlich dargestellt. Nach einer größeren Sammelstatistik bei 2.178 Patienten mit Autonomie (Abbildung) waren 83% nach einer Radiojodbehandlung in einer Normalfunktion (euthyreot), nur 7% hatten danach noch eine Überfunktion (hyperthyreot) und 10% eine Unterfunktion (hypothyreot). Bei den so genannten differenzierten Schilddrüsenkarzinomen sind die Behandlungsaussichten ebenfalls als sehr gut zu bezeichnen, sie sind nur schwerer in Zahlen zu fassen.
Facharzt für Radiologie
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